Sowas lese ich in letzter Zeit immer wieder. Von Ratgebern, die behaupten, sowas sei als Autor problemlos und dauerhaft möglich, und auch von Autoren, die angeben, dieses Pensum jeden Tag zu schaffen.
Persönlich halte ich das für ausgemachten Bullshit. 10.000 Wörter am Tag kann man schaffen. Es ist möglich und ich habe es auch schon geschafft, wenn es mal besonders leicht von der Hand ging oder ich eine Szene sehr klar im Kopf hatte, aber dauerhaft kann man mit sowas in meinen Augen keine Qualität liefern. Bei der Formatierung, mit der ich arbeite, entspricht das etwa 15 vollbeschriebenen Din A 4 Seiten, Times New Roman, Schriftgröße 12 mit einfachem Zeilenabstand.
Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass man sowas rein technisch schnell schreiben kann. Erfahrene Schreibkräfte können etwa 70 Wörter pro Minute schaffen. Im Dauerschreibmodus könnte man die 10.000 also in etwa zweieinhalb Stunden abarbeiten. Aber dabei ist noch keine kreative, argumentative, kausale oder stilistische Mehrarbeit geleistet.
Ein durchschnittlicher Roman hat – je nach Formatierung – auf 300 Normseiten etwa 100.000 Wörter. Mit dem System, das manche Autoren für sich in Anspruch nehmen, sind also 3 Romane pro Monat drin, bzw. 36 pro Jahr.
Mich ärgern Autoren, die sowas behaupten, immens. Denn zum einen führt sowas zu einer qualitativen Entwertung des Autorenhandwerks und damit der Bücher, die zu simpler Massenware degradiert werden, und zum anderen werden Autoren angehalten, sich mit unrealistisch hohen Leistungen zu vergleichen.
Ich bin Vollzeitautor (und Vollzeitpapa). An einem guten Tag schaffe ich 5000 Wörter, an einem durchschnittlichen 3000-3500. Für einen 300-Seiten-Roman brauche ich (für die Grundversion) etwa 30 Arbeitstage. Ich arbeite neben der Familie viel, kann mir aber nicht vorstellen, wie viele Stunden man sich für 10.000 Wörter inkl. sämtlichem kreativen Beiwerk in seinem stillen Kämmerlein einschließen muss.