Hallo zusammen!
Ich habe heute eine gelöschte Szene aus “Tumor” für euch, mit der ich den Roman ursprünglich beginnen lassen wollte. Beim Schreiben wurde mir allerdings klar, dass die “Antagonistin” aus der Szene (Wenn man sie so nennen will) die Geschichte in eine andere Richtung gelenkt hätte, als ich wollte. Deswegen blieb die Szene unvollendet, aber ihr könnt sie jetzt lesen:
“Etwas stimmte nicht. Ich konnte nicht sagen, was es war, doch das Giftgas zitterte fast und auch mein Instinkt schrie mir zu, dass ich umkehren sollte. Ich biss mir auf die Lippe und warf einen Blick über die Schulter. Eigentlich war alles in Ordnung. Das Loch in der Decke, durch das ich in diese Ebene gekommen war, sah aus wie immer, und auch der Korridor hinter mir wirkte nicht bedrohlicher als sonst. Aber trotzdem war es da, dieses seltsame Gefühl.
Ich würgte den zähen Schleim runter, zu dem mein Speichel geworden war, und hielt an. Nach sechs Stunden im Institut war mein Körper so ausgetrocknet, dass ich kaum noch schlucken konnte. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich nicht doch einen Schluck trinken sollte, entschied mich dann aber dagegen. Noch ging es. Und da ich nicht wusste, wie lange ich noch unterwegs sein würde, wollte ich mein Wasser lieber sparen.
Mit einem leisen Seufzen trat ich an die Wand und setzte mich auf ein Trümmerstück; mein Gewehr klemmte ich zwischen die Beine. Nein. Eigentlich war alles in Ordnung, aber eben nur eigentlich. Ich war diesen Weg schon so oft gegangen, aber trotzdem war heute etwas anders. Klar, ich war in U-Vier und damit in einer tendenziell bereits gefährlichen Ebene, aber normalerweise hätte mich das nicht weiter gestört.
„Vitali.“ Ich nahm mein Funkgerät, hielt es mir dicht an die Maske und hoffte, dass er mich verstand, obwohl ich nur flüsterte. „Vitali, bist du da?“
Einen Moment lang hörte ich nur statisches Rauschen, doch dann drang mir seine verzerrte Stimme entgegen. „Ich höre dich, Maske. Was gibt’s?“
„Ich bin in U-Vier, kurz vor der Brennofen-Anomalie. Bist du in der Nähe?“
„Bin in U-Drei beim Serverraum. Könnte in zwanzig Minuten bei dir sein. Wieso?“
Ich fluchte innerlich. „Nicht weiter. Habe nur ein ungutes Gefühl und dachte, wir können vielleicht zusammen weiter. Macht dir keine Umstände. Wir hören uns später.“
„Alles klar. Gib Acht.“
Ich steckte das Funkgerät weg, stand wieder auf und holte tief Luft. Irgendetwas lauerte in der Dunkelheit, verborgen in den Schatten, da war ich mir sicher. Mein Instinkt hatte mich noch nie getäuscht und ich hatte den Todestanz des Instituts schon oft genug mitgemacht, um zu wissen, wann ich umkehren sollte. Sollte. Ich lachte leise. Leider war das heute keine Option. Wäre alles nach Plan gegangen, wäre ich schon auf halbem Weg zurück ins Lager. Aber leider gingen Pläne in diesem Teil der Welt selten auf.
Routiniert lud ich mein Gewehr nach. Ich hatte zwar noch ein paar Patronen übrig, aber sollte ich tatsächlich auf irgendwas Gefährliches stoßen, dann tat ich das lieber mit vollem Magazin. Sicher war sicher.
Ich wollte gerade schon losgehen, da bemerkte ich plötzlich etwas am Rande des Lichtkegels meiner Taschenlampe. Ein Schemen, eine Gestalt, die mich anblickte, regungslos und stumm. Augenblicklich lief mir ein eisig kalter Schauer über den Rücken und eine seltsame, beinahe unerträgliche Unruhe erfasste meinen gesamten Körper. Ich wollte abdrücken, wollte wegrennen, doch es ging nicht. Mein Finger und meine Beine gehorchten mir nicht.
Die Kreatur verharrte in der Dunkelheit. Sie war groß, viel größer als ein Mensch, so groß, dass sie leicht gebeugt im Korridor stand. Ihr Unterleib verschmolz mit der Dunkelheit und ihr unnatürlich langer Oberkörper begann nun, sich langsam hin und her zu wiegen. Ihr Kopf jedoch verharrte regungslos, wo er war.
Ich wollte schlucken, doch ich konnte nicht. Mein Mund war staubtrocken. Ich wusste, dass mich das Wesen anstarrte, doch sein Gesicht war hinter einer wallenden Haube verborgen, eine Haube, die mich sofort an die Kutte einer Nonne erinnerte. Das… Oh Gott. Die Amme. Dieses Wesen, das dort in der Dunkelheit wartete, war die Amme. Ich hatte Geschichten über sie gehört, Schauermärchen abends am Lagerfeuer, doch ich hatte sie für eine Illusion gehalten.”
Wie gestern schon angekündigt, bekommt “Tumor” gerade eine Rundumerneuerung. Vielleicht macht euch der subtile Grusel der Szene ja Lust auf mehr…
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